Bushidô – Ethos von Japan

19.6.2008    Zu einem besonderen Vortrag hatten die Universität Passau (Politikwissenschaft; Politische Theorien, Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig) und die Deutsch-Japanische Gesellschaft eingeladen: „Bushidô – Ethos von Japan“ lautete das historische und zugleich aktuelle Thema. Groß war das Interesse und dementsprechend bis auf den letzten Platz besetzt der Hörsaal.

Der Referent, Prof. Dr. Kazuaki Yamasaki von der Shikoku-Gakuin-Universität, erläuterte zunächst die Begriffe „bushi“ (Samurai, Krieger) und „dô“ (Weg). Letzterer ist charakteristisch für die japanische Kultur, in der zahlreiche mit der Zeit zu einer hohen Kunst avancierte Betätigungen – ob Kadô (Blumenkunst, Ikebana), Chadô (Teezeremonie), Shodô (Schreibkunst), Kyûdô (Bogenschießen) u.a.m. – als geistige Übung, mit Ernst und nie als Spiel betrieben werden. Daher, so der Referent, rühre wohl auch der westliche Vorwurf der Humorlosigkeit gegenüber den Japanern.

Bushidô, der „Weg des Kriegers“, ist die stetige Übung in Selbstdisziplin nach einem ungeschriebenen Ehrenkodex. Er repräsentiert die aristokratische Moral des feudalistischen Systems, das bis 1867 in Japan bestand. Aber bis heute wirken seine Prinzipien und Ideale fort. Ein grundlegendes Werk mit dem Titel „Bushidô, eine Interpretation japanischer Geschichte und Kultur, erschien im Jahr 1900, verfasst von Inazo Nitobe als Antwort auf das Unverständnis des Westens. – B., das der Referent als eine Art Altes Testament für Japan bezeichnete, speist sich aus drei Quellen: Buddhismus, Shintoismus und vor allem Konfuzianismus. Die wesentlichen Tugenden stellte er einerseits im historischen Kontext, andererseits in ihrer Relevanz für die heutige Gesellschaft vor. So wurde beispielsweise deutlich, dass nur im Geiste des B. mit seiner unbedingten Treue und Loyalität gegenüber dem Tennô (Kaiser) Japans Aufbruch in die Moderne und zugleich die Vermeidung der Degradierung zu einer Kolonie des Westens möglich war, ebenso die militärischen Siege um die Jahrhundertwende. Allerdings wurde andererseits B. für imperialistische und militaristische Ziele missbraucht – bis zur bitteren Konsequenz 1945.

Im heutigen Japan gehört es immer noch zu guten Manieren, die Würde des anderen oder die Atmosphäre eines Ortes zu achten. Seine Gefühle hält man eher zurück, um den anderen nicht zu belästigen. Und wer in der Öffentlichkeit rücksichtslos von seinem Handy Gebrauch macht, wird fast als Hooligan angesehen. Große Heiterkeit erregte ein Beispiel äußerster Höflichkeit: der Herr, der auf der Straße aus Solidarität mit seinem Gesprächspartner, der keinen Schirm dabei hat, im Regen seinen eigenen zuklappt. Er teilt also die Unannehmlichkeit mit dem anderen ! – Auch Ehrlichkeit ist eine Bushidô-Tugend und immer noch aktuell. So gab es nach dem großen Erdbeben von Kobe (1995) mit seinen 800 000 Obdachlosen kaum Diebstähle und Plünderungen. Andererseits ist u.a. der Verlust der Tugend der „Kindespflicht“ festzustellen. Pseudo-demokratisch erzogen, seien die Kinder und Jugendlichen frecher und undisziplinierter als früher.

Insgesamt lebt das B-Ethos noch hier und da weiter, hat aber in der verwöhnten Massengesellschaft seine Bedeutung weitgehend verloren. Der Frage, was Bushidô ersetzen könne, begegnete der Referent mit der Frage, was an die Stelle des Christentums trete, das ja in Europa für Viele keine Orientierung mehr biete. So bot der Vortrag neben Informationen manche Denkabstöße, die nach der angeregten Diskussion wohl manchen Zuhörer noch eine Weile beschäftigten.