Vortrag „Hermann Roesler und die japanische Verfassung von 1889“

10.3.2011   „Hermann Roesler und die japanische Verfassung von 1889“ – das klingt vielleicht nach einem trockenen juristischen Vortrag. Dennoch waren die meisten Plätze im Hörsaal besetzt, und es waren nicht nur Juristen, sondern auch sehr viele Japan-Interessierte gekommen. Die Referentin Dr. Anna Bartels-Ishikawa, die sich mit der Geschichte der „Meiji-Deutschen“ (das sind die Deutschen, die nach 1868 in Japan beratend oder lehrend tätig waren) befasst, schilderte die Karriere des aus Lauf bei Nürnberg gebürtigen Juristen und Staatswissenschaftlers Roesler (1834-1894). Dessen Interesse galt besonders den Bereichen Arbeit, Wirtschaft und Recht. Nach einer längeren Lehrtätigkeit an der Universität Rostock wurde Roesler Berater der japanischen Regierung. Diese Tätigkeit brachte es mit sich, dass er mit wichtigen Politikern der Meiji-Zeit wie Aoki Shuzo oder Ito Hirobumi zusammenarbeitete. Roeslers Briefen ist zu entnehmen, dass er ein eher zurückgezogenes Leben führte, fast nur mit Japanern Kontakt hatte, die er als gutherzig und höflich charakterisiert. Es finden sich Anmerkungen zum Klima, zur Bedrohung durch Taifune, Erdbeben und Feuersnot. Neben Briefen und anderen Quellen dienten der Referentin auch Photos zur Veranschaulichung des Themas.

Roesler entwarf ein japanisches Handelsgesetzbuch, er musste sich zu Fragen des Verwaltungsrechts und sogar zur Außenpolitik äußern. Von 1886 bis 1888 arbeitete er an der Entwicklung einer Verfassung, wobei er nicht der einzige ausländische Berater war: Japan wollte von möglichst vielen Seiten lernen. Dass Roeslers Vorschläge mit denen eines weiteren Deutschen, Albert Mosse, von den Japanern verglichen wurden, gefiel den beiden Herren nicht… Vorbilder fand man in verschiedenen Verfassungen, neben der preußischen oder auch kleinstaatlichen deutschen in der bayerischen. Die schließlich 1889 in Kraft getretene Verfassung war konservativ und orientierte sich keineswegs an der Reichsverfassung von 1871. So fußte z.B. das Wahlrecht auf dem Dreiklassenwahlrecht Preußens. Nach dieser Meiji-Verfassung war der Tenno (Kaiser) heilig und unverletzlich, als Souverän göttlich legitimiert, was mit dem Mythos seiner Abstammung zusammenhängt. Roesler hatte Bedenken gegen diesen Verfassungsartikel geäußert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Bis zum 2. Weltkrieg war diese Verfassung gültig.