Vortrag „Das christliche Jahrhundert“

14.4.2011    Das „christliche Jahrhundert“ in Japan begann mit der Ankunft des spanischen Jesuiten Francisco de Xavier und seiner sieben Begleiter im Jahre 1549. Die Bemühungen um Christianisierung des Landes wurden zunächst geduldet, besonders von Fürsten (daimyô) der Insel Kyûshû, deren Motive durchaus weltlicher Art waren. Sie erhofften sich durch die Kontakte mit Europa und den Handel mit dem Westen, besonders Portugal, eine Stärkung ihrer Position in unruhigen Zeiten: es herrschte Bürgerkrieg in Japan. Diese Verquickung von Religion und Machtpolitik, von inneren Unruhen und äußeren Einflüssen, war schließlich die Ursache für das Scheitern aller Missionierungsversuche.

Die Phase weitgehend ungehinderter Ausbreitung des Christentums dauerte immerhin fast vierzig Jahre – bis Toyotomi Hideyoshi das erste offizielle Verbot erließ. In dieser Zeit berichteten die Jesuiten stolz von ihren Erfolgen, als deren Beweis sie getaufte japanische Knaben im Jahr 1582 auf eine Reise nach Europa mitnahmen, um diese dem Papst vorzustellen. In Japan waren die Jesuiten auch wissenschaftlich tätig, es entwickelten sich „christliche“ Literatur und Kunst. Aber die Lage der Christen in Japan war schwierig, hier und da wurden sie blutig verfolgt. Für Verwirrung sorgten das Auftauchen eines englischen Protestanten um die Jahrhundertwende und die Rivalität zwischen Jesuiten und nun ebenfalls in Japan missionierenden Franziskanern.

Nach Beendigung der inneren Machtkämpfe durch den Sieg der Tokugawa etablierten diese (ab1603) eine Zentralmacht, die darauf bedacht war, fremde Einflüsse und vor allem die Gefahr politischer Einflussnahme durch die Missionare abzuwehren. Im Jahre 1614 erließ der Shôgun Tokugawa Ieyasu ein Edikt, mit dem das Christentum endgültig verboten wurde. Verdächtige wurden zum ebumi gezwungen, d.h. sie sollten Christusbilder mit Füßen treten und so ihre religiöse Unbedenklichkeit beweisen. Zu den Maßnahmen gehörte auch der Entzug von Ländereien christlicher Daimyô, deren Untertanen dann das harte Regiment eines neuen Herrn ertragen mussten. Die so erzeugten oder verstärkten sozialen und politischen Spannungen entluden sich 1637/38 im Shimabara-Aufstand, der ein äußerst blutiges Ende fand. Danach wagten es nur noch wenige Familien, heimlich am christlichen Glauben festzuhalten.

Von 1639 an, mit der Ausweisung der Portugiesen – nach den Engländern und Spaniern – verfolgte die Regierung eine rigorose Politik der Abschottung. Japaner durften nicht mehr ins Ausland reisen, und die einzigen Europäer, die (neben Chinesen und Koreanern) Handel mit Japan treiben durften, waren die Holländer. Damit gab es über zweihundert Jahre immerhin ein Nadelöhr, durch das Kenntnisse und Waren aus dem fernen Westen nach Japan gelangten.

Als Zeugnisse dieser Epoche sind Schriften erhalten und Kunstwerke, von denen einige aufschlussreich sind mit ihrer Verschmelzung von buddhistischer Bildtradition und christlicher Symbolik: ein Christusbild mit den Gesichtszügen eines Buddha, oder die Darstellung Marias mit dem Kinde in Gestalt einer buddhistischen Kannonskulptur. Die weltliche Kunst brachte farbenprächtige Stellschirme hervor, auf deren Goldgrund Ausländer, darunter Geistliche, in ihrer für Japaner fremdartigen Kleidung in japanischem Ambiente dargestellt sind. Diese Kunst der „südlichen Barbaren“ (Namban) stellt eine Besonderheit in der japanischen Kunstgeschichte dar.