Vortrag „Räume entdecken“

23.3.2o11   Zu Beginn der Abendveranstaltung wurde schweigend der Katastrophenopfer in Japan gedacht. Die täglich übermittelten Bilder und Nachrichten haben allgemein große Betroffenheit und Anteilnahme ausgelöst. So war es sehr willkommen, dass die Referentin, bevor sie ihren eigentlichen Vortrag begann, über die Lage in Tokyo berichtete. Sie zeigte Bilder von der Zerstörung durch das große Erdbeben, vom Alltag unter erschwerten Bedingungen, in dem die Menschen doch versuchen, ein gewisses Maß an Normalität aufrechtzuerhalten.

Als Projektarchitektin betreut Katinka Temme bei Kengo Kuma & Associates, Tokyo internationale Projekte. So stellte sie zum Beispiel ein Bambushaus in China (Bild l.o.) vor, das sich in die Berglandschaft einfügt, ein aufblasbares Teehaus (Bild r.o.), das in Frankfurt aufgestellt wurde, aber auch in Japan realisierte Entwürfe wie den Erweiterungsbau des Nezu Art Museum (Bild l.u.). Kuma baut Räume, die sich dem vorgefundenen Umfeld anzupassen suchen. So übernimmt er in einem Fall eine durch Sakralbauten vorgegebene Achse, woanders die Formensprache des bereits Vorhandenen oder dessen Proportionen. Doch findet er auch Neues, indem er z.B. zu feinen Lamellen geschnittenen Stein als Wandverkleidung verwendet. Er hat sich nicht auf einen bestimmten Baustoff festgelegt, verwendet Stein oder Holz. Und immer wieder durchdringt die japanische Bautradition der Verschränkung von Drinnen und Draußen seine Entwürfe. Darüberhinaus fasziniert ihn das Spiel von Licht und Schatten, das er einkalkuliert und damit der Architektur eine immaterielle Komponente verleiht.

Vortrag „Hermann Roesler und die japanische Verfassung von 1889“

10.3.2011   „Hermann Roesler und die japanische Verfassung von 1889“ – das klingt vielleicht nach einem trockenen juristischen Vortrag. Dennoch waren die meisten Plätze im Hörsaal besetzt, und es waren nicht nur Juristen, sondern auch sehr viele Japan-Interessierte gekommen. Die Referentin Dr. Anna Bartels-Ishikawa, die sich mit der Geschichte der „Meiji-Deutschen“ (das sind die Deutschen, die nach 1868 in Japan beratend oder lehrend tätig waren) befasst, schilderte die Karriere des aus Lauf bei Nürnberg gebürtigen Juristen und Staatswissenschaftlers Roesler (1834-1894). Dessen Interesse galt besonders den Bereichen Arbeit, Wirtschaft und Recht. Nach einer längeren Lehrtätigkeit an der Universität Rostock wurde Roesler Berater der japanischen Regierung. Diese Tätigkeit brachte es mit sich, dass er mit wichtigen Politikern der Meiji-Zeit wie Aoki Shuzo oder Ito Hirobumi zusammenarbeitete. Roeslers Briefen ist zu entnehmen, dass er ein eher zurückgezogenes Leben führte, fast nur mit Japanern Kontakt hatte, die er als gutherzig und höflich charakterisiert. Es finden sich Anmerkungen zum Klima, zur Bedrohung durch Taifune, Erdbeben und Feuersnot. Neben Briefen und anderen Quellen dienten der Referentin auch Photos zur Veranschaulichung des Themas.

Roesler entwarf ein japanisches Handelsgesetzbuch, er musste sich zu Fragen des Verwaltungsrechts und sogar zur Außenpolitik äußern. Von 1886 bis 1888 arbeitete er an der Entwicklung einer Verfassung, wobei er nicht der einzige ausländische Berater war: Japan wollte von möglichst vielen Seiten lernen. Dass Roeslers Vorschläge mit denen eines weiteren Deutschen, Albert Mosse, von den Japanern verglichen wurden, gefiel den beiden Herren nicht… Vorbilder fand man in verschiedenen Verfassungen, neben der preußischen oder auch kleinstaatlichen deutschen in der bayerischen. Die schließlich 1889 in Kraft getretene Verfassung war konservativ und orientierte sich keineswegs an der Reichsverfassung von 1871. So fußte z.B. das Wahlrecht auf dem Dreiklassenwahlrecht Preußens. Nach dieser Meiji-Verfassung war der Tenno (Kaiser) heilig und unverletzlich, als Souverän göttlich legitimiert, was mit dem Mythos seiner Abstammung zusammenhängt. Roesler hatte Bedenken gegen diesen Verfassungsartikel geäußert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Bis zum 2. Weltkrieg war diese Verfassung gültig.