Ausstellung „Der fernste Ort“

19.4.2011    Die Ausstellung „Der fernste Ort. Das Bild Japans in europäischen Drucken des 17. bis 19. Jahrhunderts“ in der Staatsbibliothek Passau schlägt einen Bogen von den Christianisierungsversuchen der Europäer über ihr Interesse für Geographie und Botanik Japans, das in der Zeit der Abschottung des Landes nur über die Holländer zu befriedigen war, bis hin zu den Bemühungen um Öffnung im 19. Jahrhundert, die weltlichen Interessen entsprangen. An Missionierung dachte man (zunächst) nicht mehr.

Das älteste Exponat, „De Christianis Apud Iaponios Triumphis“ von Nicolas Trigault (1623) enthält einen Bericht über die Christenverfolgungen der Tokugawa-Zeit und einen der ersten umfassenden Berichte über Japan. Aufgeschlagen ist die Doppelseite mit einem Kupferstich und einem Text, in dem es heißt septendecim capite truncantur. Diese siebzehn Märtyrer werden mit vollem Namen und Taufnamen wie Andreas, Cosmas, Michael, Thomas u.a. genannt: so heißt zum Beispiel einer von ihnen Ioannes Nacamúra Sosuqué. Das Buch stammt aus der alten Bischöflichen Bibliothek, in welcher die örtliche Jesuitenbibliothek nach dem Verbot des Ordens im späteren 18. Jahrhundert aufgegangen war, und stellt somit einen Bezug zur Passauer Geschichte her.

Aus dem Jahr 1679 stammt „Die gantze Erdkugel, bestehend in den vier bekannten Theilen der Welt“ von Sanson d’Abbéville. Man sieht eine Karte der japanischen Inseln und einen Text über Das Land von Jesso (Jedzo), in dem die nördliche Insel Hokkaido so beschrieben wird: Das Land ist schlecht bewohnet… und es gibt alda viel Silber-Gruben(…) Sie treiben einige Handelschafft mit Aquita, welches(…) Vermutlich ist dies die früheste Erwähnung von Passaus Partnerstadt Akita in einem europäischen Textdokument.

Eberhard Werner Happel berichtet im ersten Teil seiner „Wunderbaren Welt Cosmographia“ (1708) über die frühe Begegnung Japans mit dem Westen: Die Portugiesen handelten vor einigen Jahren noch starck hier/ aber seitdem sie sich allzu viel um die Religion bekümmerten/wurden sie und alle ihre Bekehrten angegriffen/also/daß seit 1614 biß 1636 (in welchem Jahre der Rest weder wieder abgefallen/(deren doch die Wenigsten)/ oder durch eine grausame Marter hingerichtet worden. Seithero hat man den Christlichen Nationen die Fahrt ins Land verbotten/ aber die Holländer nennen sich keine Christen/ sondern Holänder/ und in solchem Namen führen sie annoch den Handel daselbst. Dann das Land ist reich an Salpeter, Silber und Kupffer.  Über Hokkaido Das Land Jesso heißt es: man weiß aber noch nicht, wie weit es sich nach Norden erstrecke/ noch ob es eine Insel /oder vestes Land sey.

Im 1719 erschienenen „Atlas Historique“ von Henri Châtelain sind auf einer großen Doppelseite Kupferstiche zu sehen, die z.B. ein Martyrium zeigen: Supplice qu’on fit souffrir aux Chrétiens, oder die Niederlassung der Holländer in Nagasaki: Loge des Hollandais à Nanguesague, dazu kurze Texte De la ville de Meaco und De la ville de Yedo, also über Miyako, die Hauptstadt Kyoto, und Edo, das spätere Tokyo. Die „Neuere Geschichte der Chinesen, Japaner, Indianer“ von François-Marie de Marsy (1756) behandelt die Frage, ob es dem Japan-Reiche vorteilhaft sey, auf eine solche Art, wie heutiges Tages, den Fremden verschlossen zu seyn, so dass kein Volk in der Welt die Erlaubniß hat, darinn anzulanden, und seine eigenen Untertanen nicht ausser Landes gehen dürfen.

Aus Engelbert Kaempfers „Geschichte Japans“ (London 1727) sind einzelne Blätter ausgestellt. Sie zeigen Tempelbauten, darunter einen Sanmen Sansin Sanbiak Sansiu Santai Templum 33333 Idolorum. Es handelt sich offensichtlich um den berühmten Sanjûsangendo in Kyoto, wofür auch der klein abgebildete Bogenschütze spricht. Auf weiteren Tafeln sind Pflanzen abgebildet, die für den Europäer von exotischem Reiz waren, z.B. Kadsura, ein später nach Europa eingeführter Baum.

Von den Briefen des Franciscus Xaverius sind zwei Ausgaben präsent: eine aus Linz (1753) und eine aus Wien (1767), beide im Besitz der Bischöflichen Bibliothek. Briefe aus Japan aus der Zeit von 1548 bis 1580 erschienen 1795 bis 1798 in drei Bänden als Teil eines größeren Werkes: „Die Missionsgeschichte späterer Zeiten, oder Gesammelte Briefe der katholischen Missionare aus allen Teilen der Welt.“ Kupferstiche zeigen u.a. die Taufe des Königs von Bungo (gemeint ist ein Daimyô, d.h. Fürst auf Kyushu) oder Die Japanesischen Gesandten vor Seiner Päpstlichen Heiligkeit Gregorius XIII. (s. auch den Bericht zum Vortrag „Das christl. Jahrhundert“)

Schon im Jahr 1811 erschienen in Berlin Adam Johann von Krusensterns Aufzeichnungen über seine „Reise um die Welt in den Jahren 1803, 1804, 1805 und 1806“, die er auf Befehl Seiner Kaiserlichen Majestät Alexanders des Ersten auf den Schiffen Nadeshda und Newa unternommen hatte. Die zwei Bände sind bescheiden im Vergleich zur großformatigen Ausgabe (Leihgabe der Staatsbibliothek München), die 1814 in Sankt Petersburg erschien und Kupferstiche wie eine doppelseitige japanische Landschaft mit einem prächtigen Fischfalken enthält. Die Ansicht eines japanischen Wachhauses zeigt mehrere Männer, von denen einige die schmale japanische Pfeife rauchen. In Kopien sind auch „Nationalphysiognomien aus Japan“ oder Nationaltrachten zu sehen.

Die zweibändige Schilderung von Wilhelm Heines „Reise um die Erde nach Japan an Bord der Expeditions-Escadre unter Commodore M.C. Perry in den Jahren 1853, 1854 und 1855“ erschien 1856 in Leipzig und New York. Dass das Interesse an Japan groß war, belegt auch eine Publikation aus Karlsruhe aus dem Jahr 1860: „Das Kaiserreich Japan, nach den besten vorhandenen Quellen geschildert von einem Vereine Gelehrter“. Die aufgeschlagene Seite zeigt in einer kolorierten Aquatinta das Bild von Dolmetschern des 1ten und 2ten Rangs.  Der Text zitiert aus den „Times vom 2. Nov. 1858“:  Jede Hütte, jeder Tempel und jedes Theehaus dieser großen Stadt ist von geschmackvollst angelegten Gärten umgeben. Oft sind die schönsten Punkte dieser herrlichen Gegend hierzu ausgewählt. Ein langer Ritt wird oft durch eine romantische Scene belohnt, indem ein Theehaus malerisch über einen Wasserfall gespannt ist, oder das Schnitzwerk eines Tempels aus Cedernhainen hervortritt. Der von der Mittagshitze erschöpfte Reisende ist stets gewiß, Ruhe und Erfrischung zu finden; fast alle Paar Schritte hat er Gelegenheit, in einem solchen Theehause auf den reinlichsten und weichsten Matten auszuruhen, den angenehm duftenden Thee zu schlürfen und den wohlriechenden Tabak Japans zu rauchen. Wahrscheinlich ist mit der großen Stadt Kyoto gemeint.

Perry’s eigener Bericht „Narrative of the expedition of an American Squadron to the China Seas and Japan performed in the years 1852, 1853, and 1854” wurde in zwei Bänden in New York (1856) publiziert. Die zahlreichen Abbildungen spiegeln das Interesse der Ausländer für das exotisch Neue, vielleicht auch eine gewisse Herablassung dem Gastland gegenüber, das man nun endlich zur Öffnung gezwungen hatte. Man sieht Tempel, die Japanese Women from Simoda, ein Public Bath at Shimoda, einen Priest in full dress, Ringkämper in Yokuhama, die Übergabe amerikanischer Geschenke und verschiedene andere Szenen.  Beim Anblick des Dinner given to the Japanese Commissioners on board USSF Powhatan mit der Musiktribüne im Hintergrund, auf der dreifach die Tuba vertreten ist, kommt einem unwillkürlich der Gedanke, dass diese Zeremonie wie so vieles andere den Japanern etwas plump erschienen sein muss… Aber sie mussten sich arrangieren mit denen, die für sie Eindringlinge waren und die nun die Gewässer rund ums Archipel zu kontrollieren gewillt waren. Kaum etwas dokumentiert diesen Anspruch mehr als die große Karte der Bay of Yedo surveyed by order of Commodore M.C. Perry…

Vortrag „Das christliche Jahrhundert“

14.4.2011    Das „christliche Jahrhundert“ in Japan begann mit der Ankunft des spanischen Jesuiten Francisco de Xavier und seiner sieben Begleiter im Jahre 1549. Die Bemühungen um Christianisierung des Landes wurden zunächst geduldet, besonders von Fürsten (daimyô) der Insel Kyûshû, deren Motive durchaus weltlicher Art waren. Sie erhofften sich durch die Kontakte mit Europa und den Handel mit dem Westen, besonders Portugal, eine Stärkung ihrer Position in unruhigen Zeiten: es herrschte Bürgerkrieg in Japan. Diese Verquickung von Religion und Machtpolitik, von inneren Unruhen und äußeren Einflüssen, war schließlich die Ursache für das Scheitern aller Missionierungsversuche.

Die Phase weitgehend ungehinderter Ausbreitung des Christentums dauerte immerhin fast vierzig Jahre – bis Toyotomi Hideyoshi das erste offizielle Verbot erließ. In dieser Zeit berichteten die Jesuiten stolz von ihren Erfolgen, als deren Beweis sie getaufte japanische Knaben im Jahr 1582 auf eine Reise nach Europa mitnahmen, um diese dem Papst vorzustellen. In Japan waren die Jesuiten auch wissenschaftlich tätig, es entwickelten sich „christliche“ Literatur und Kunst. Aber die Lage der Christen in Japan war schwierig, hier und da wurden sie blutig verfolgt. Für Verwirrung sorgten das Auftauchen eines englischen Protestanten um die Jahrhundertwende und die Rivalität zwischen Jesuiten und nun ebenfalls in Japan missionierenden Franziskanern.

Nach Beendigung der inneren Machtkämpfe durch den Sieg der Tokugawa etablierten diese (ab1603) eine Zentralmacht, die darauf bedacht war, fremde Einflüsse und vor allem die Gefahr politischer Einflussnahme durch die Missionare abzuwehren. Im Jahre 1614 erließ der Shôgun Tokugawa Ieyasu ein Edikt, mit dem das Christentum endgültig verboten wurde. Verdächtige wurden zum ebumi gezwungen, d.h. sie sollten Christusbilder mit Füßen treten und so ihre religiöse Unbedenklichkeit beweisen. Zu den Maßnahmen gehörte auch der Entzug von Ländereien christlicher Daimyô, deren Untertanen dann das harte Regiment eines neuen Herrn ertragen mussten. Die so erzeugten oder verstärkten sozialen und politischen Spannungen entluden sich 1637/38 im Shimabara-Aufstand, der ein äußerst blutiges Ende fand. Danach wagten es nur noch wenige Familien, heimlich am christlichen Glauben festzuhalten.

Von 1639 an, mit der Ausweisung der Portugiesen – nach den Engländern und Spaniern – verfolgte die Regierung eine rigorose Politik der Abschottung. Japaner durften nicht mehr ins Ausland reisen, und die einzigen Europäer, die (neben Chinesen und Koreanern) Handel mit Japan treiben durften, waren die Holländer. Damit gab es über zweihundert Jahre immerhin ein Nadelöhr, durch das Kenntnisse und Waren aus dem fernen Westen nach Japan gelangten.

Als Zeugnisse dieser Epoche sind Schriften erhalten und Kunstwerke, von denen einige aufschlussreich sind mit ihrer Verschmelzung von buddhistischer Bildtradition und christlicher Symbolik: ein Christusbild mit den Gesichtszügen eines Buddha, oder die Darstellung Marias mit dem Kinde in Gestalt einer buddhistischen Kannonskulptur. Die weltliche Kunst brachte farbenprächtige Stellschirme hervor, auf deren Goldgrund Ausländer, darunter Geistliche, in ihrer für Japaner fremdartigen Kleidung in japanischem Ambiente dargestellt sind. Diese Kunst der „südlichen Barbaren“ (Namban) stellt eine Besonderheit in der japanischen Kunstgeschichte dar.